Mittwoch, 22. Juni 2011

Thema: Frührente

Ich heiße Hans. Lassen Sie mich erklären, wie ich die Situation bei uns
zu Hause geregelt habe. Nachdem ich letztes Jahr meinen Job bei Siemens
aufgeben durfte und mit einer stattlichen Summe in Frührente geschickt
wurde, musste meine Frau auch noch mal ran. Zusätzlich zu ihrem 400 Euro
Job als Putze bei der Pension gegenüber, arbeitet sie jetzt noch
ganztags bei Penny an der Kasse und im Lager. Das hat den Vorteil, dass
wir uns die Zusatzversicherungen für mich auf jeden Fall leisten können.
Dinge wie Chefarzt, Einzelzimmer, Zahnersatz und so weiter... Allerdings
musste ich nach ein paar Wochen Frührente feststellen, dass das Alter
meiner Frau nicht sehr gnädig ist. Ich komme so gegen sechs Uhr abends
vom Tennisclub oder seit kurzem auch mal vom Golfplatz heim. Um diese
Zeit ist sie dann auch gerade zuhause. Obwohl sie weiß wie hungrig ich
bin, sagt sie mir dann, sie müsse sich erst mal eine halbe Stunde
ausruhen. Der Weg vom Bahnhof dauert zu Fuß so um die 30 Minuten, wenn
man zügig geht etwa 25 Minuten. Das sollte doch zur Erholung genügen.
Egal. Ich rege mich ja gar nicht auf. Ich lege mich also inzwischen auf
die Couch und sage ihr sie soll mich wecken, wenn das Abendessen auf dem
Tisch steht. Da ich entweder im Golf- oder im Tennisclub zu Mittag esse,
können wir es uns nicht leisten auch noch am Abend zum Essen zu gehen.
Außerdem geht nichts über deftige Hausmannskost in den eigenen vier
Wänden, oder?
Früher war es nun so, dass sie das Geschirr gleich nach dem Essen in die
Küche brachte und alles aufräumte. Heutzutage dauert das Ganze ein
bisschen länger. Ich erinnere sie immer wieder höflich dran, dass die
Teller nicht von alleine in die Küche und den Geschirrspüler wandern und
manchmal wirkt das sogar und sie schafft alles weg bevor sie ins Bett
geht. Ein weiteres Symptom dass sie älter wird ist das ewige Genörgel.
Auf einmal jammert sie rum, dass sie es nicht mehr schafft sich auch
noch um die Zahlungen und die Haushaltskasse zu kümmern. Dabei hat sie
jeden Tag 25 Minuten Mittagspause! Aber Jungs, ich sage nur: In guten
wie in schlechten Zeiten! Also lächle ich und spreche ihr Mut zu. Sie
muss ja nicht alles an einem Tag machen. Dann dauert es halt mal 2 oder
3 Tage, bis die Finanzen wieder in Ordnung sind. Dann passieren auch
keine Fehler. Ich habe sie auch daran erinnert, dass man ruhig mal ein
Mittagessen ausfallen lassen kann, das würde ihr auch nicht schaden. Ich
glaube kaum, dass man ihre beginnende Fettleibigkeit taktvoller hätte
ansprechen können.
Aber selbst bei den einfachsten Arbeiten lässt sie inzwischen nach. Zum
Beispiel, wenn sie unser Haus putzt. Früher als die Kinder noch da waren
und mithalfen, hat sie das an einem Samstagvormittag locker geschafft,
jetzt dauert es oft bis zur Sportschau. An den Wochenenden bin ich
meistens zu Hause und wenn ich dann von der Couch aus sehe, wie sie sich
abquält sage ich ihr schon mal, dass sie ein Päuschen vertragen könnte
und sich einen Kaffee machen soll und mir auch gleich einen bringen
kann. Ich weiß, dass viele meiner Freunde beim Tennis und Golf mich für
einen Heiligen halten, weil ich meine Frau so unterstütze.
Ich sage nicht, dass es leicht ist! Manche Männer können so etwas
überhaupt nicht und sind richtige Machos. Und keiner weiß besser als
ich, wie frustrierend Frauen im Alter werden können. Ich kann meinen
Leidensgenossen nur zurufen: etwas mehr Takt und weniger Kritik
gegenüber ihren Frauen auszuüben. Ich habe diesen Brief geschrieben,
weil ich glaube, dass wir auf dieser Welt sind um uns gegenseitig zu
helfen und ich hoffe damit einigen anderen die Augen geöffnet zu haben.
Euer Hans

*Anm. d. Red: Hans starb plötzlich und unerwartet. Laut dem Polizeibericht war die Todesursache ein Golfschläger, der bis zum Griff in seinem After steckte. Seine Frau wurde von der weiblichen Jury vom Mordverdacht frei gesprochen. Ihre Anwältin hatte argumentiert, dass Hans sich versehentlich auf den Golfschläger gesetzt haben muss.